Mein erster Jakobsweg von Porto nach Santiago de Compostela

Solange die Eindrücke noch frisch sind, möchte ich beschreiben, wie mein erster Jakobsweg vom 2. bis zum 15. April 2025 verlaufen ist.

Fritz in Santiago

Am Ziel vor der Kathedrale in Santiago


Warum habe ich das gemacht?

Irgendwann im Herbst 2024 habe ich einige Videos über Weitwanderungen auf YouTube gesehen. In der gleichen Zeit habe ich von Paulo Coelhos Buch über seine Initiation auf dem Jakobsweg gehört – ohne es je zu lesen.

Nach kurzen Recherchen dachte ich, dass das eine interessante und günstige Form des Urlaubs sein könnte: ständig neue Eindrücke und neue Menschen, ein klares Ziel, günstige Unterkünfte. Und so dachte ich: Warum eigentlich nicht...

Genereller Eindruck

Wenn man jeden Tag mindestens vier bis sechs Stunden lang geht, freut sich der Körper, etwas zu tun zu haben. Während des Gehens kommen alle möglichen Gedanken. Auf dem Weg und in den Herbergen habe ich viele unverbindliche Gespräche mit allen möglichen Menschen geführt. Der Rhythmus ist an jedem Tag ziemlich gleich: Aufstehen, eine Kleinigkeit essen, Zeug zusammenpacken, Gehen, sich orientieren, eine Unterkunft suchen, danach duschen und essen, vielleicht noch spazieren gehen und etwas unternehmen.

Durch die Bewegung und Anstrengung, die Orientierung auf dem Weg, wechselnde Begegnungen und viele kleine Probleme (die sich immer lösen lassen) werden Körper und Geist trainiert. Der einfache Rhythmus und immer wieder neue Eindrücke in schönen Landschaften sind gut für die Seele.

Meine Route

Mein Weg begann in Porto. Nach einem Ausflug zur Kathedrale (mit Stempel im Pilgerpass) nahm ich die U-Bahn bis Matosinhos. Von dort ging es an der Küste entlang über Labruge, Povoa de Varzim, Marinhas, Viana de Castelo und Caminha bis an den Grenzfluss Minho.

Der Weg am Minho entlang führte mich nach Valença. Dort ging es über die Grenze nach Tui und auf der spanischen Seite weiter nach O Porriño, Redondela, Pontevedra, Caldas de Reis, Padrón und schließlich Santiago de Compostela.

Laut Reiseführer habe ich an 13 Gehtagen 263,5 km zurückgelegt. In der Realität waren es mehr, weil ich einige Male von der vorgegebenen Route abgekommen bin und in einigen Städten längere Wege zurückgelegt habe, um Unterkünfte zu finden.

Kleine Widrigkeiten

Erster Fehler: Ich telefoniere ungern. Mein Smartphone läuft mit einem Wertkarten-Tarif. Das Roaming in Portugal und Spanien klappte nicht, sodass ich auf das WLAN in den Unterkünften und unterwegs auf die Offline-Version von Google Maps angewiesen war. Mein Orientierungssinn in Städten ist sehr schlecht und ich hasse es, nicht zu wissen, wo ich bin.

Glücklicherweise sind die Menschen in Portugal und Spanien hilfsbereit und haben mir oft dabei geholfen, den Weg zu finden, auch wenn sie normalerweise keine Fremdsprachen sprechen.

Mein besonderer Dank an dieser Stelle geht an einen Freiwilligen aus einem Museum, der in Santiago mit mir bis zu der Straße gegangen ist, die bis zu meiner Herberge führte. Leider wäre ich nicht fähig gewesen, dem beschriebenen und auf der Karte gezeigten Weg zu folgen...

(Nebenbei bemerkt: Ich vermisse in Reiseberichten, dass Leute sich auch mal verirren. Geht das nur mir so?)

Zweiter Fehler: in der zweiten Nacht in der Herberge von Labruge zu übernachten. Im großen Schlafsaal hatte ich drei Schnarcher und eine Husterin, deren Schnarchen und Husten mich an die Laute der Monster im Computerspiel Minecraft erinnerten, als würden die Untoten mein Stockbett umlagern, oder die noch Lebenden gurgelnd und hustend ersticken.

Nach einer Nacht praktisch ohne Schlaf wollte ich meine Wäsche holen, die ich zum Schutz gegen den Regen unter dem Vordach aufgehängt hatte. Der Wind hatte sie auf den Boden geweht. Auf der Toilette war kein Klopapier mehr, sodass ich mich mit meinen letzten Taschentüchern abwischen musste. Danach taumelte ich hinaus in den Regen, der den ganzen Tag anhielt.

Dritter Fehler: die falschen Schuhe! Während der ersten Tage habe ich mir selbst zu der Entscheidung gratuliert, Laufschuhe von Adidas (statt feste Wanderschuhe) zu tragen. Dadurch hatte ich keine Blasen. Aber dann kamen einige hügelige und unwegsame Abschnitte, und wenn ein Fuß hundertmal am Tag etwas schief auftritt, beginnen die Probleme mit dem Knöchel.

Ungefähr ab dem sechsten Tag hatte ich Schmerzen. Einige Stöcke vom Wegesrand (ich habe ihnen die Namen Carlos und Felipe gegeben) halfen mir dabei, die Knöchel und Knie zu entlasten. Erst in O Porriño hatte ich die Idee, in einer Apotheke Bandagen und eine Salbe zu kaufen. Spät, aber doch.

Meine Füße am Strand von Caminha

Meine Füße am Strand bei Caminha


Schöne Momente

Für Bergbewohner wie mich ist der Atlantik etwas Besonderes. Wie ein lebender und atmender Organismus, der bis weit hinter den Horizont reicht. Ich habe mir einige Male ein paar Stunden Zeit genommen, um am Strand spazieren zu gehen.

Schön ist es auch, wenn der Körper den ganzen Tag geht und endlos weiter gehen könnte. Erstklassiger Espresso für einen Euro, billige Hotelzimmer, gutes Essen, interessante und etwas schrullige Leute, gute Motive für Fotos und große Supermärkte, in denen alles billiger ist.

Der Strand bei Labruge

Ein Strand bei Labruge


Menschen auf dem Weg

Manchmal fällt es mir schwer, mit Menschen zu reden, obwohl sie mich interessieren. Dabei ist meine Neugier groß: Wer sind sie? Was beschäftigt sie? Was sind ihre Motive? Von übergewichtigen Amerikanerinnen über deutsche Studenten bis zu 80-jährigen Herren, skandinavischen Läuferinnen und niederländischen Ehepaaren habe ich alle möglichen Leute getroffen.

Besonders hervorheben möchte ich:

  • A. und G. aus demselben Zimmer in der Herberge in Porto.
  • E. aus Nordschweden.
  • C., den Autohändler aus Tennessee.
  • J. aus dem Schwarzwald.
  • L., den hilfsbereiten Besitzer eines Cafés in Fão, der jeden mit my friend anspricht.
  • F. aus Wien, der mir in Caminha geholfen hat, mein Hotel zu finden und mir danach immer wieder begegnet ist.
  • P., den Bankangestellten aus Sizilien.
  • M. aus Argentinien, die Knieprobleme hatte und deshalb eine Zeit lang rückwärts ging.
  • Das Paar aus Holland, das mir half, mein Zeug zu trocknen.
  • Augusto, den Herbergsbesitzer in Santiago.
  • S., deren Namen ich zweimal vergessen und irgendwann endlich aufgeschrieben habe.

Die meisten Leute auf dem Camino haben vermutlich etwas, über das sie ungestört nachdenken wollen, um Pläne für die Zukunft zu machen. So war es bei mir. Andere wollen einfach einen Wanderurlaub machen, das Land erkunden oder neue Leute kennenlernen. Es gibt mindestens zwanzig verschiedene Gründe, den Jakobsweg zu gehen.

Und Gott?

An den letzten Tagen habe ich mehrere große Schülergruppen in der Begleitung von Lehrern, Priestern und Nonnen überholt. Beim Einzug in Santiago haben diese Gruppen religiöse Lieder gesungen. Abgesehen von ihnen (und einer Amerikanerin in der Herberge in Porto) hat niemand religiöse Motive gezeigt oder darüber gesprochen. Aber vielleicht schließt das Suchen nach Inspiration die Offenheit für Eingebungen von Gott, unserem großen Gegenüber (das unsere Schicksalsfäden verknüpft und uns zu ungewöhnlichen Reisen ermuntert) mit ein. So gesehen ist der Verweis auf eine christliche Motivation, die mir in der Urkunde aus dem Pilgerbüro von Santiago bestätigt wurde, nicht ganz unberechtigt.

Herbergen und andere Unterkünfte

Es ist nicht notwendig, den Lebensrhythmus für den Jakobsweg komplett umzustellen. Jedenfalls war das meine Erfahrung. Nach der Horror-Übernachtung in Labruge habe ich eine Woche lang in verschiedenen Pensionen und Hotels geschlafen. Danach war ich unempfindlicher und noch einige Male in Herbergen. Die Preise reichten dabei von 18 € bis 60 €. Der Preis für ein einfaches Hotelzimmer war ungefähr 30 €. Alles über 50 € ist entweder purer Luxus oder eine Frechheit. Vermutlich werden die Preise durch die Inflation in den kommenden Jahren weiter steigen.

Jedenfalls ist es schön, mehrere Optionen zu haben. Auf dem portugiesischen Jakobsweg muss niemand in einer Herberge übernachten, die einen um sechs Uhr morgens aus dem Bett wirft und den Aufbruch vor Sonnenaufgang verlangt. Ich habe morgens meistens bis acht Uhr geschlafen und war ab neun Uhr unterwegs. Nur selten bin ich vor elf Uhr abends ins Bett gegangen.

Herberge in Porto

Die Herberge in Porto


War es das?

In Santiago gibt es einen Herbergsbetreiber namens Augusto, der aus Brasilien stammt. Nach mehreren Pilgerreisen hat er sich den Traum erfüllt, seine eigene Herberge zu eröffnen. An den Wänden hängen überall Fotos von seinen Reisen. Er prophezeite mir vor meiner Abreise, dass ich wiederkommen werde.

(Damit hat er vermutlich recht. Die nächste Wanderung wird voraussichtlich von Bilbao aus 300 km über den Camino del Norte bis Ribadeo führen.)


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